Ein Kunde ist von vielen weiteren Personen in seinem Umfeld umgeben und tätigt manche Kaufentscheidungen aufgrund seines sozialen Umfelds. Besonders prägnant sind diese Einflüsse bei Produkten, die vom sozialen Umfeld wahrgenommen werden. Es sind Produkte, die sozial auffällig sind und einem demonstrativen Konsum dienen. (Kroeber-Riel, 2003, S. 485) Dazu gehören Luxusartikel und Güter, die: (Felser, 2015, S. 198) & (Kroeber-Riel, 2003, S. 485)
• öffentlich konsumiert werden. (z.B. E-Zigarette)
• sichtbar sind. (z.B. Kosmetik)
• Gesprächsstoff sind. (z.B. Urlaub)
Kotler et al. haben eine Übersicht erstellt, in der die Gruppeneinflüsse auf die Produkt- und Markenwahl dargestellt werden. Ist das Produkt / die Marke öffentlich sichtbar, ist der Gruppeneinfluss stark. (Kotler, Armstrong, Saunders, & Wong, 2007, S. 278) Kuß und Tomczak treffen eine ähnliche Aussage: Gerade bei den öffentlichen Gütern, deren Konsum für andere sichtbar ist, sind die sozialen Einflüsse auf die Markenwahl bemerkbar. (Kuß & Tomczak, 2007, S. 221) Beim privaten Konsum sind solche Gruppeneinflüsse eher nebensächlich:

Abbildung: Stärke des Gruppeneinflusses auf die Kaufentscheidung, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Kotler, Armstrong, Saunders, & Wong, 2007, S. 278)
Das Selbstwertgefühl der Konsumenten kann durch eine Gruppenzugehörigkeit erhöht werden. (Felser, 2015, S. 199) Über Merchandise-Artikel drücken viele Kunden ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Vereinen, Unternehmen, Organisationen oder Personen aus. Da diese Vereine, Organisationen, etc. auch eine Marke darstellen, können auch Marken Teil eines Selbstbilds werden. Menschen ist es wichtig, was andere über sie denken und dass sie selbst bestimmten Normen entsprechen. (Snyder, 1974)
Die Gruppennormen
Normen kann man als Verhaltensregeln betrachten, die in einer erlebnis- und werteorientierten Gesellschaft immer wichtiger werden. So können Normen, wie z.B. Nachhaltigkeit, die Kaufentscheidung beeinflussen. (Kroeber-Riel, 2003, S. 490 & 492) Solche Normen der Gruppe haben einen Einfluss auf die Kaufentscheidungen: Kunden, die in einer Gruppe einkaufen gehen, besitzen eine größere Übereinstimmung in ihrem Kaufverhalten als Kunden, die allein einkaufen gehen. (Felser, 2015, S. 201) Das Ziel des Kunden, in einer Gruppe nicht als Außenseiter erkannt zu werden, wird auch als Konformität bezeichnet. Gruppennormen können beispielsweise dazu führen, dass Qualitätsbeurteilungen von Produkten an den Gruppenstandard angepasst werden. Der Kunde wird wahrscheinlich das Produkt genauso bewerten wie andere Kunden zuvor. (Kroeber-Riel, 2003, S. 482)
Die Gruppennormen hängen vom aktuellen sozialen Umfeld ab: Ein Kunde verhält sich in einem familiären Umfeld anders als unter Freunden. Die Familie steht eher für langfristige Normen und die Freunde für den augenblicklichen Genuss des Moments. Der Gruppeneinfluss ist größer, wenn die Gruppe sehr homogen ist und die Person keine eigene starke Meinung gegenüber einem Produkt oder einer Marke hat. Eine weitere kulturelle und somit auch soziale Norm besteht darin, dass Vielfalt und Abwechslung positiver bewertet werden als gleiches und konstantes Verhalten (zumindest in westlichen Kulturen). In Asien wird hingegen Konformität besser bewertet. (Felser, 2015, S. 202-203) & (Ariely, 2008, S. 284)
Aufmerksame Leser erkennen einen kleinen Widerspruch: Auf der einen Seite möchte der Konsument zu einer Gruppe dazugehören, auf der anderen Seite möchte er anders sein und ein abwechslungsreiches Verhalten zeigen. Genau darum geht es dem Konsumenten: Zu einem bestimmten Grad anders zu sein und dennoch zu einer Gruppe dazuzugehören. (Felser, 2015, S. 204)
In der Werbung kann man die sozialen Normen nutzen, indem man ein Wir-Gefühl aufbaut. Viele Influencer haben es geschafft, Menschen in einer Gruppe zu vereinen, die ähnliche Interessen und Bedürfnisse haben. Diese Gruppen stehen dennoch für ganz bestimmte Normen und unterscheiden sich somit von anderen Gruppen. Diese Zugehörigkeit kann man durch Merchandise oder Facebookgruppen öffentlich kenntlich machen. Die genannten Aspekte kann man aber auch auf Marken übertragen.
Je genauer in der Werbung die Gruppe angesprochen wird, in der sich die Kunden befinden, desto besser funktionieren die Gruppennormen. (Felser, 2015, S. 208) Beispielsweise könnte man eine Werbebotschaft mit einer Gruppennorm aufwerten: „Gehöre auch du zu den 95% der Frauen, die unsere neue Hautcreme positiv bewerten…“
Des Weiteren könnte man in der Werbung gezielte Hinweise auf bestimmte Gruppen geben: Der Marketer könnte die soziale Gruppe in die Werbung einbinden und beschreiben wie andere Kunden, die ähnlich sind oder zur gleichen sozialen Gruppe gehören, sich in einer bestimmten Situation verhalten haben. (Kroeber-Riel, 2003, S. 488)
Das Modell-Lernen
Auch das Lernen spielt bei der sozialpsychologischen Betrachtungsweise des Kaufverhaltens eine Rolle. Ein Verhalten kann von jemand anderem bereits erprobt sein, sodass der Kunde das Verhalten nur noch imitieren muss. Das Lernen findet also über Beobachtung bzw. Nachahmung statt. (Kroeber-Riel, 2003, S. 649) Ein Verhalten, das man sich vom Kunden wünscht, kann man also durch ein Modell ausführen lassen. (Felser, 2015, S. 209) Solch ein Modell kann ein Prominenter, Influencer oder eine Person aus dem persönlichen Umfeld des Kunden sein. Umgesetzt wird diese Technik in der Werbung, z.B. mithilfe sehr beliebter „Unboxing Videos“, in denen Kunden verschlossene Produkte entpacken und zum ersten Mal ausprobieren. Dabei wird das Verhalten des Modells beobachtet und vom Kunden gelernt. In geeigneten Kaufsituationen kann der Kunde dann das Gelernte umsetzen. (Kroeber-Riel, 2003, S. 650) In der Werbung ist es aber auch möglich, den Nutzen eines Produkts durch eine Modell-Person erlebbar zu machen. Bei Kosmetikprodukten könnte man beispielsweise am Testimonial zeigen, wie das Produkt wirkt.
Die Modellperson sollte auf jeden Fall zur Zielgruppe passen und dieser Kundengruppe möglichst ähnlich sein. (Felser, 2015, S. 210) Zusätzlich kann man den Effekt des Modell-Lernens verstärken, indem man das Verhalten des Modells belohnt. (Kroeber-Riel, 2003, S. 649) In der Werbung sollte also genau gezeigt werden, welche positiven Effekte das Produkt nach der Anwendung hat. In der Axe-Werbung wird diese Belohnung am Ende der Werbung gezeigt: Durch die Nutzung des Deos hat die Werbeperson Erfolg bei Frauen (Belohnung).
Diese Testimonial-Werbung funktioniert deswegen so gut, weil Konsumenten den Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften und Einstellungen auf das Kaufverhalten zu hoch einschätzen. Kunden vernachlässigen den Einfluss der Situation auf das Verhalten des Modells.
Die Kunden denken sich also eben nicht, dass die Person nur wirbt, weil sie viel Geld dafür bekommen hat. Stattdessen wird der Kunde annehmen, dass die Werbeperson für das Produkt / die Marke wirbt, weil sie es / sie mag. (Felser, 2015, S. 211) Der Beeinflussungsversuch sollte dabei natürlich nicht zu offensichtlich sein.
Welche Eigenschaften sollte solch ein Modell besitzen, damit es eine Kaufentscheidung am stärksten beeinflusst?
Die Sympathie der Werbeperson ist das wichtigste Merkmal, damit die Werbeperson andere Kunden zu einer Handlung bewegen kann. Die Sympathie hängt laut Felser, 2015, S. 212-216 von sechs Faktoren ab: (siehe auch Neumann, 2013, S. 84)
• Ähnlichkeit: Ähnliche Einstellungen, Motive und das Aussehen der Person fördern die Sympathie.
• Nähe: Personen, die man oft sieht (Mere-Exposure-Effekt) und die räumlich nah sind, werden als sympathischer erlebt.
• Austausch: Interaktionen, z.B. Geschenke, erhöhen die Sympathie.
• Sympathie dem Kunden gegenüber: Interesse gegenüber dem Kunden wird als positiv empfunden.
• Physische Attraktivität: Der Halo-Effekt spielt hierbei eine wichtige Rolle: Attraktive Personen werden als vertrauensvoll, clever, freundlich, etc. erlebt.
• Zugehörigkeit: Das Testimonial sollte zur Zielgruppe und zum Angebot passen.
Der Gegenseitigkeitseffekt
Menschen stehen nur ungerne in der Schuld ihrer Mitmenschen. Wurde einem selbst ein Gefallen getan, möchte man diesen auch gerne wieder „zurückzahlen“.
Auf die Werbung übertragen, bedeutet dieser Effekt: Wird dem Kunden einen Gefallen getan, möchte er diesen Gefallen erwidern. Dabei muss das Geschenk (z.B. Treuepunkte, Rabatte, Warenproben, etc.) nicht einmal gewollt sein. Auch unerwünschte Geschenke besitzen diese Wirkung. (Felser, 2015, S. 217)
Die Entschädigung, die Kunden dabei zurückgeben, geht meistens über das Ausgangsmaß hinaus. Man gibt meistens mehr zurück, als man bekommen hat. (Felser, 2015, S. 217) Den Effekt eines Geschenks kann man verstärken, indem man dem Kunden den Eindruck vermittelt, dass man sich bei der Auswahl Gedanken gemacht hätte. (Felser, 2015, S. 398) Man sollte ein Werbegeschenk an den Kunden also individualisieren und personalisieren.
Weitere sozialpsychologische Überlegungen finden sich auch bei der Konsensheuristik und die Tür-in-das-Gesicht-Technik (siehe Kaufentscheidungspsychologie).
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