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Die Reaktanz
Die Reaktanz zeigt sich in der Aufwertung einer Option, die verloren geht oder bereits verloren ist. Der Kunde fühlt sich, z.B. durch penetrante Werbung oder einem Ausverkauf des Produkts, in seiner Kaufentscheidung eingeschränkt (Freiheitseinschränkung) und bewertet das verlorene Produkt aufgrund dessen besser. (Neumann, 2013, S. 233) & (Felser, 2015, S. 235) Die Reaktanz kann man der Motivationstheorie zuordnen. (Kroeber-Riel, 2003, S. 207)
Diese Freiheitseinschränkung kann über drei verschiedene Wege auftreten: (Raab & Unger, 2005, S. 65-66)
- Sozialer Einfluss (z.B. Kommunikation von Handlungsanweisungen, aggressiver Vertrieb)
- Umweltbedingte Entwicklungen (z.B. Schließung der Kaufstätte, Knappheit von Produkten)
- Eigenes Verhalten (Manche Kaufentscheidungen sind nicht reversibel.)
Reaktanz äußert sich auf verschiedenen Wegen: (Felser, 2015, S. 235)
- Emotional: Wut gegen die Quelle der Freiheitseinschränkung
- Kognitiv: Bessere Bewertung der verlorenen Option
- Verhalten: Die Änderung der Kaufentscheidung
Das Reaktanz-Modell besteht aus dem folgenden Prozess:
Abbildung: Das Reaktanzmodell, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Felser, 2015, S. 245)
Der saure Traube Effekt
Was passiert, wenn nicht alle Bedingungen erfüllt sind? Wenn keine Wahlfreiheit, sondern Zwang bestand, oder die Wahlfreiheit sowie Produktauswahl nicht wichtig waren, kommt es zum Saure-Trauben-Effekt.
Der Saure-Trauben-Effekt kehrt die Reaktanz um und besagt, dass die verlorene Alternative nicht aufgewertet, sondern abgewertet wird. Es werden stattdessen die noch verfügbaren Produkte aufgewertet. (Felser, 2015, S. 237)
Was passiert, wenn man die ursprüngliche Wahlfreiheit nicht wiederherstellen kann?
Dann kommt es zu schmerzhaften Auflösungserscheinungen (Felser, 2015, S. 244) & (Kuß & Tomczak, 2007, S. 65): Der Kunde verdrängt die Produktwahl oder er versucht sich die Kaufentscheidung „schön zu reden“. Vielleicht äußert sich auch Wut gegen die Quelle der Freiheitseinschränkung.
Die Reaktanz kann also zwei völlig unterschiedliche Ergebnisse haben: Bei der einen Variante wird die verlorene Option aufgewertet (Reaktanz) und bei der anderen abgewertet (Saure-Trauben-Effekt).
Der Bumerangeffekt
Dieser schmale Balanceakt der Beeinflussung wird noch durch den Bumerangeffekt verstärkt: Der Effekt besagt, dass man einen Beeinflussungsversuch nicht zu offensichtlich gestalten sollte. Wird eine Person zu sehr manipuliert, kann diese Manipulation wiederum als Freiheitseinschränkung verstanden werden und Reaktanz auslösen. (Felser, 2015, S. 235) & (von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 182) Die Reaktanz richtet sich dann aber nicht in die ursprünglich vom Marketer / Verkäufer beabsichtigte Richtung.
Es gibt einige Bedingungen (siehe Abbildung), die erfüllt sein müssen, damit die Reaktanz wirken kann: (Felser, 2015, S. 235-237) & (Kroeber-Riel, 2003, S. 208)
- Die Freiheit, zu wählen und damit über alle Angebote frei zu verfügen, muss eingeschränkt, erkennbar sowie wichtig sein.
- Die Wahl zwischen den Produkten muss bedeutsam und nicht irrelevant sein. Wann ist eine Produktoption wichtig?
- Der Nutzen muss sicher sein und darf nicht vom Zufall abhängen.
- Ein bedeutsames Bedürfnis wird erfüllt.
- Es darf keine gleichwertige Alternative für die verloren gegangene Option geben.
- Geht die Produktoption vor den Augen des Kunden verloren und ein anderer Kunde ist dafür verantwortlich, fällt die Reaktanz besonders stark aus.
- Großer Beeinflussungsdruck verstärkt die Reaktanz.
Die Reaktanztheorie kann man als Marketer / Verkäufer als Prävention einsetzten, um den Saure-Trauben-Effekt zu verhindern oder man nutzt ihn für die Aufwertung eigener Produkte zum Vorteil.
Die Reaktanz im Marketing
Prävention: Werbung ist eine Form der Beeinflussung. Ein Marketer sollte versuchen mit seiner Werbebotschaft bzw. seinem Beeinflussungsversuch nicht zu offensichtlich zu sein. Es würde sonst der Bumerangeffekt eintreten: Der Kunde widersetzt sich der offensichtlichen Beeinflussung. (Felser, 2015, S. 238)
Ein Werbespot sollte also nicht zu oft während eines Spielfilms gezeigt werden oder die Produktplatzierung nicht allzu auffällig und störend sein. (Kroeber-Riel, 2003, S. 209)
Man sollte die Werbebotschaft mit einem Verkaufsziel verbinden: „Wir haben in erster Linie die Kundenzufriedenheit im Auge.“ Man könnte außerdem Fließtexte für eine argumentative Wirkung verwenden, glaubwürdige Quellen (wie z.B. Stiftung Warentest oder Gütesiegel) in die Werbung einbauen oder von der Werbebotschaft mithilfe von Bildern ablenken. (von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 183-184)
Weiterhin kann es dazu kommen, dass der Kunde, sollte die ursprüngliche Freiheit nicht wiederherstellbar sein, sich gegen die Quelle der Freiheitseinschränkung richtet. (Kroeber-Riel, 2003, S. 209)
Sollte das Unternehmen beispielsweise Lieferengpässe haben, ist der Engpass im Sinne der Reaktanz erst einmal gut. Das knappe Gut wird aufgewertet und erscheint wertvoll. Sollte das Unternehmen es aber nicht schaffen in angemessener Zeit den Artikel zu liefern, schlägt die Reaktanz in eine Wut gegen die Quelle des Lieferengpasses um und das Unternehmen wird schlechter bewertet.
Diese (präventive) Reaktanz lässt sich durch einige Faktoren verbessern. Neumann (2013, S. 237) stellt folgende Faktoren vor:
- Man sollte den Beeinflussungsdruck gegenüber dem Kunden geringhalten.
- Der Kunde sollte weiterhin mehrere Entscheidungsmöglichkeiten haben.
- Der Verkäufer sollte eine gute Beziehung zum Kunden aufbauen.
- Wenn die erzwungene Produktwahl einen großen Nutzen hat, ist die Reaktanz gering.
- Der Kunde darf nicht erwarten, dass er beeinflusst wird.
Die Aufwertung eigener Produkte: Die Reaktanz besagt, dass ein Produkt aufgewertet wird, wenn es verloren geht oder bereits verloren ist. Diesen Effekt kann man also auch für das eigene Marketing auf verschiedene Art und Weise nutzen: (Felser, 2015, S. 239-242)
Exklusivität: Produkte für besondere Gruppen oder wohlhabende Menschen oder solche, die nur bei einer Mitgliedschaft verfügbar sind, schränken bei allen Kunden, die nicht Teil dieser Gruppe sind, die Freiheit ein. Diese Freiheitseinschränkung führt bei den ausgeschlossenen Kunden zur Reaktanz. Der Effekt erklärt zum Teil die Beliebtheit von Marken- bzw. Luxusartikeln: Sind diese sehr teuer, kann sich der Kunde die Luxusgüter finanziell nicht leisten. Die Wahlfreiheit ist eingeschränkt und das Luxusprodukt wird dementsprechend aufgewertet.
Limitierte Auflage: Das Produkt sollte in limitierter Auflage und für eine begrenzte Zeit angeboten werden, z.B. durch einen Vorverkauf. Auch hier wird Reaktanz beim Kunden hervorgerufen und das limitierte Produkt aufgewertet, da es nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und nicht frei verfügbar ist.
Limitierte Abgabe: Reaktanz kann man für die eigenen Produkte nutzen, indem man den Verkauf der Produkte für die Kunden einschränkt und die Produkte nur in begrenzter Stückzahl ausgibt (siehe Abbildung 72).
Abbildung: Beispiele der Reaktanz zur Aufwertung eigener Produkte, eigene Darstellung
Die Reaktanz trifft Aussagen über die Kaufwahrscheinlichkeit, aber nicht über die Kaufmenge. Sie lässt sich mit einfachen Mitteln beim Kunden hervorrufen. Man sollte unbedingt den Balanceakt zwischen zu starker Beeinflussung und zu geringer Freiheitseinschränkung beachten.
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