Nicht alle Reize, die unser Körper aufnimmt, sind bewusst spürbar. Manche Veränderungen oder Reize sind so klein, dass man sie nicht spüren kann. Nur weil man mit einem Thermometer eine Temperaturveränderung messen kann, heißt das nicht, dass der menschliche Körper diese Änderung zwangsweise spürt. Und selbst wenn der Kunde etwas wahrnehmen könnte, nimmt er es nicht zwangsweise bewusst wahr. Nur wenn man sich beispielsweise aktiv auf seine Körperteile konzentriert, kann man diese spüren. Nur wenn man sich aktiv auf die Atmung konzentriert, wird man sie spüren. Es gibt also einen Unterschied zwischen spürbarer und nicht spürbarer Wahrnehmung.

Die Reizschwellen

Wenn der Mensch aufgrund der Intensität des Reizes etwas wahrnimmt, nennt man diese Intensität die absolute Reiz- oder Empfindungsschwelle. (Felser, 2015, S. 28) Da sich Menschen, in ihrer Fähigkeit bestimmte Reize wahrzunehmen, unterscheiden, legt man die Schwelle auf 50% fest. Bei dieser Empfindungsschwelle kann die Hälfte der Personen einen Reiz wahrnehmen. Es ist ganz klar, dass nicht jeder Mensch gleich gut hören, sehen, fühlen, etc. kann. Wird der Reiz von mehr als 50% der Menschen wahrgenommen, gilt die Schwelle als überschritten. (Felser, 2015, S. 28)

Wenn man auf einer Party die Laustärke kontinuierlich erhöhen würde, müssten die Unterschiede immer größer werden, damit die Menschen einen Unterschied in der Lautstärke noch wahrnehmen. Der neue Schall muss 9% lauter sein als zuvor, um als lauter erkannt zu werden. (Bourne & Ekstrand, 1992)

Wie stark müssen sich die Reize nun unterscheiden, damit die Veränderung beim Menschen spürbar ist?

Unterschiedsschwellen

Abbildung: Unterschiedsschwellen des menschlichen Körpers: Der Hörsinn ist beispielsweise sensibler als der Geschmacksinn, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Neumann, 2013, S. 323)

Das gleiche Prinzip lässt sich zum Beispiel auch auf den Geschmack und natürlich alle weiteren Reize übertragen. Möchte man den Geschmack einer bereits gesalzenen Suppe noch salziger machen, aus welchen Gründen auch immer, müsste man die neue Salzmenge immer stärker steigern. (siehe Abbildung)

Reizsteigerung Beispiel

Abbildung: Reizsteigerung Beispiel, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Felser, 2015, S. 29)

„Je höher die Intensität des Reizes, desto größer müssen auch die Unterschiede sein, um eben noch wahrgenommen zu werden.“ (Felser, 2015, S. 29) Die menschliche Wahrnehmung ist also keine lineare, sondern eine logarithmische Funktion. Diese Funktion spielt auch in der Wahrnehmung des Produktnutzens eine Rolle. Der Wert eines Produktes hängt von vielen Variablen, z.B. der Dringlichkeit des Bedürfnisses, ab.

Die Aufgabe des Marketings

Zudem lässt sich bei Produkten kaum ein objektiver Wert oder Nutzen festlegen, sondern hängt individuelle von jedem Kunden ab. Die Kunst für den Marketer besteht nun darin, den subjektiven Wert eines Produktes zu steigern. Diese Steigerung verläuft logarithmisch: Je mehr ein Kunde bereits von einem Produkt hat, desto größer muss der Mengenzuwachs sein, damit die Nutzensteigerung für den Kunden noch wahrnehmbar ist. Kunden gewöhnen sich schnell an den Konsum von Produkten.

Marketing hat eine grundlegende Aufgabe: Die Erhöhung des empfundenen Nutzens und die Verringerung von Schmerz. (Mittelstaedt, 2019a) (siehe Abbildung)

Marketingziel

Abbildung: Das Marketingziel, eigene Darstellung

Die Fragestellung, die damit zusammenhängt, lautet: Wann kauft ein Kunde ein Produkt? Er kauft, wenn der Nutzen des Produkts oder der Dienstleistung den Schmerz, den er empfindet, weil er dafür bezahlen muss, übersteigt. (Kotler, Armstrong, Saunders, & Wong, 2007) Wenn der Kunde denkt, dass das Produkt mehr wert ist als der Preis, den er bezahlen muss, wird er den Kauf tätigen. Das Ziel von Marketing ist es, in diese Wertformel einzugreifen. Je höher der bereits in Anspruch genommene Nutzen des Kunden ist, desto schwieriger wird es für den Marketer, den empfundenen Nutzen noch weiter zu erhöhen (Unterschiedsschwelle).

Grundsätzlich ist zu sagen, dass eine Sinneswahrnehmung eine andere Sinneswahrnehmung auslösen oder beeinflussen kann. So hängt z.B. ein saurer Geschmack mit frisch wirkenden Farben zusammen. (Kroeber-Riel, 2003, S. 123) Der Geschmack kann auch von haptischen Sinneseindrücken abhängen: Aus einem kantigen Gefäß schmeckt ein Getränk intensiver und bitterer (siehe Abbildung). (van Rompay, Finger, Saakes, & Fenko, 2017)

Der Einfluss der Sinneswahrnehmung auf die Kaufentscheidung

Es folgen einige zusammengefasste Hinweise zur Sinneswahrnehmung:

  • Mitten im Gesichtsfeld ist Buntheit das richtige Mittel zur Aufmerksamkeitssteuerung. Im Randgebiet der Werbeanzeige sind bewegende Objekte aufmerksamkeitsfördernder. (Felser, 2015, S. 31)
  • Der Klang eines Produktes kann als Indikator für dessen Qualität gelten. (Felser, 2015, S. 33) Über Klänge in der Werbung können auch Personen erreicht werden, die sich mit anderen Medien, z.B. einer Zeitung, beschäftigen. (Kroeber-Riel, 2003, S. 97)
  • Der Geruchssinn ist sensibel: Kleine Veränderungen werden bereits wahrgenommen, aber die Gewöhnung an einen Geruch tritt sehr schnell ein. Gerüche (z.B. der Körpergeruch) werden sehr gut erinnert. (Felser, 2015, S. 35)
  • Der Tastsinn ist gegenüber Wahrnehmungstäuschungen nicht anfällig. (Nuszbaum, Voss, Klauer, & Betsch, 2010) & (Hartmann & Haupt, 2016) Der Tastsinn ist sehr empfindlich und hilft uns Produkteigenschaften wahrzunehmen. Über den Tastsinn und die Inbesitznahme entsteht der Endowment Effekt. Hartmann und Haupt ordnen dem Tastsinn verschiedene Fähigkeiten zu: Die Verbesserung der Erinnerungsfähigkeit, die Erzeugung von Aufmerksamkeit, die Steigerung von Glaubwürdigkeit, die Erhöhung des Produktwerts und schlussendlich die Vergrößerung der Kaufwahrscheinlichkeit. (Hartmann & Haupt, 2016)

Nicht nur die Sinne nehmen Einfluss auf unsere Wahrnehmung, auch die Marke kann sie beeinflussen:

„Die Produkte verschiedener Marken können sich auch dann objektiv voneinander unterscheiden, wenn der Unterschied ohne Kenntnis der Marke nicht feststellbar ist (z. B. Allison & Uhl, 1964). Diese Überlegung wird auch durch die neurologische Forschung untermauert: So bevorzugen Konsumenten zwar im Blindtest Pepsi vor Coca-Cola, diese Präferenz kehrt sich aber um, wenn die Marke bekannt ist.

Vergleich Pepsi vs. Coca-Cola Pepsi challenge

Abbildung: Vergleich Pepsi vs. Coca-Cola, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (de Chernatony & McDonald, 1998 & vgl. Esch, 2003, S. 10)

Nun zeigen aber zum Beispiel (McClure et al., 2004), dass sich die neuronalen Erregungsmuster, die den Konsum von Coca-Cola mit und ohne Markenkenntnis begleiten, wesentlich unterscheiden. Dies könnte dafür sprechen, dass in der Tat durch das Wissen um die Marke und damit durch die Aktivation des Erlebniswerts ein objektiv anderes Produkterleben erzeugt wird.“ (Felser, 2015, S.13 und S.40) Dass außerdem bloße Vorstellungen einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Menschen haben, zeigen auch die zahlreichen Studien über Placeboeffekte.


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